Demokratie und Transparenz hängen zusammen: Bürger und Bürgerinnen wählen ihre Stadtverordneten, die ihre Interessen in der Politik vertreten sollen. Daher müssen sie auch beobachten können, was diese tun und ob sie das Vertrauen, das ihnen von den Wählern und Wählerinnen geschenkt worden ist, auch verdienen. Aus diesem Grund sind die Stadtverordnetensitzungen öffentlich und deshalb hat auch die Presse eine wichtige Rolle. Früher und heute immer noch gibt es für die Öffentlichkeit nur die Möglichkeit, die Sitzungen vom Zuschauerraum zu beobachten. Der hat bekanntlich nicht Platz für alle und nicht jeder kann zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort sein. In Pandemiezeiten ist das noch schwieriger.
Aber die Demokratie funktioniert nicht, wenn sie nicht beobachtet werden kann. Wir Stadtverordneten sind unseren Wählern und Wählerinnen verpflichtet, nicht der Verwaltung und nicht dem Magistrat. Im Wahlkampf haben wir einiges versprochen und alle haben das Recht zu überprüfen, ob wir unsere Versprechen halten.
10 Jahre Schweigen und unterlassene Information
Zum Glück ermöglicht die Technik heute Videoaufzeichnungen und Streaming der Sitzungen. Dies ist eine längst überfällige Form von Transparenz und Offenheit und Teil der dringend nötigen Digitalisierung. Immer mehr Kommunen bieten ihren Bürger:innen ein „Rathaus-TV“ an. Ein Beispiel ist Parlamentsfernsehen Hessen, an dem schon mehrere Kommungen beteiligt sind. So etwas wünschen wir uns auch in Offenbach.
Schon vor über 10 Jahren, am 29.09.2011, hat die Stadtverordnetenversammlung einen Beschluss (2011-16/DS-I(A)0079/1) gefasst. Damit wurde der Magistrat beauftragt, zu prüfen und zu berichten, ob der öffentliche Teil der Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Offenbach am Main zukünftig als Livestream (Audio und Video) auf der Internetseite der Stadt Offenbach an prominenter Stelle zur Verfügung gestellt werden könne und ob die Aufnahmen zeitnah nach den Sitzungen nach einzelnen Tagesordnungspunkten veröffentlicht werden können. Des Weiteren sollte er prüfen, ob hierfür die Geschäftsordnung abgeändert oder ergänzt werden sollte. Er sollte außerdem Vorschläge für ein Konzept für ein Rathaus-TV machen.
Leider hat der Magistrat nichts geprüft und nichts berichtet. Wir haben im Juli 2021 eine Anfrage gestellt (https://www.ofa-ev.de/wp-content/uploads/2021/07/Ofa-Anfrage-Rathaus-TV-Aufzeichnung-der-StVV-2021-07-28.pdf), um zu erfahren, was inzwischen von dem Beschluss umgesetzt worden ist. Fast fünf Monate hat es gedauert, bis wir endlich eine Antwort (https://www.ofa-ev.de/wp-content/uploads/2021/12/Antwort-Ofa-Rathaus-TV-Aufzeichnung-der-StVV.pdf) bekommen haben. Diese Antwort ist unbefriedigend: Sie gibt zu, dass man nichts gemacht hat. Als Begründung heißt es, dass man damals „zu diesem Themenkomplex noch nähere Festlegungen“ durch Anpassungen der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) abwarten wollte. Für dieses Warten hätten allerdings 2 Monate ausgereicht, denn die Anpassung ist schon zum 01.01.2012 erfolgt, also nur zwei Monate nach dem Beschluss. Aber auch danach ist nichts unternommen worden. Wahrscheinlich hätte man nicht nur 10 Jahre gewartet, sondern bis zum St. Nimmerleinstag, wenn wir die Anfrage nicht gestellt hätten.
Wenn es eine Berichtspflicht zur Umsetzung von Beschlüssen geben würde, wäre das nicht so lange liegen geblieben. Aber leider hat die Koalition ja kürzlich einen Antrag dazu abgelehnt. Welchen Wert haben Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung, wenn sie ignoriert werden? Und wenn das dann intransparent bleibt, haben normale Bürger keine Chance zu erfahren, ob was passiert und was. Ist das noch Demokratie, wenn die Verwaltung und die Stadtverordnetenversammlung voneinander entkoppelt sind, wie es in Offenbach der Fall ist? Sind wir nur die Abnicker und Grüßauguste in einer Quasselbude, die zwar Reden schwingen, aber sonst keinerlei Gestaltungseinfluss haben? Das Rathaus-TV ist ja nicht das einzige Projekt, das stillschweigend beerdigt wurde.
Zurück zum Rathaus-TV: Nach der damaligen Änderung der HGO ist eine Anpassung der Hauptsatzung erforderlich geworden, damit es rechtlich zulässig wird, die Sitzungen aufzunehmen. Auch diesen Sachverhalt hat der Magistrat bis heute nicht berichtet. Deshalb stellen wir den Antrag, dass das nun endlich passiert (PIO).
Technisch einfach umzusetzen: Open Parliament TV
In den zehn Jahren haben sich die technischen Möglichkeiten für Video-Streaming und Aufzeichnungen stark entwickelt. Seit Kurzem gibt es ein Portal, nämlich Open Parliament TV, von dem wir sehr beeindruckt sind. Zurzeit kann man dort alle Redebeiträge im Bundestag seit 2017 anhören, anschauen und nach Stichworten durchsuchen. Und die Videos sind alle mit den Plenarprotokollen synchronisiert. Liebe Leser und Leserinnen, probieren Sie es mal aus! Wäre es nicht schön, wenn wir auch für unsere Stadtverordnetenversammlung eine solche Video-Sammlung hätten?
Genau das ist der Plan der Betreiber des Portals. Sie bieten anderen Parlamenten an, „mit der Unterstützung lokaler Partner:innen schrittweise immer mehr Parlamente in unsere Plattform zu integrieren (von Stadtratssitzungen bis zu Sitzungen des EU-Parlaments und zusätzlicher nationaler Parlamente).“ Die Plattform nutzt eine offene Schnittstelle. Auf der Webseite heißt es, dass Open Parliament TV „ ein dezentral gedachtes Konzept ist: neben der Integration in die Plattform können Menschen unsere frei lizenzierten technischen Komponenten auch nutzen, um eigene Open Parliament TV Plattformen zu betreiben. Über Open Data Schnittstellen wären die unterschiedlichen Plattformen dann trotzdem verknüpft und plattformübergreifend durchsuchbar.“
Dies wäre eine sehr kostengünstige Lösung, die unsere klamme Stadtkasse kaum belasten würde. Elegant ist sie auch, denn man braucht keine eigene Entwicklungen und müsste nichts teuer einkaufen.
Interessenten und Journalistinnen müssten nicht stundenlang in der Stadthalle oder nach Corona im Stadtverordnetensaal ausharren, stattdessen können sie die Aufzeichnungen schnell nach Themen, die sie interessieren, durchsuchen, auch zu späteren Zeitpunkten.
Wir beantragen deshalb die Prüfung der Beteiligung an Open Parliament TV.
Im Jahr 2011 war die Stadtverordnetenversammlung für ein Rathaus-TV. Wir hoffen sehr, dass das jetzt, zehn Jahre später, erst recht der Fall ist. Es wäre ein Fortschritt für unsere Demokratie und die Telhabe der Menschen an der politischen Diskussion.