von Lea Hanke

Offenbachs Schulsystem steht vor enormen Herausforderungen: Veraltete Gebäude, mangelnde Digitalisierung und große soziale Ungleichheiten prägen den Alltag der Schüler*innen. Der Stadtschülerrat Offenbachs, angeführt von Stadtschulsprecher Luca Dobrita und einem seiner Stellvertreter Cengizhan Nas, setzt sich mit vollem Engagement für die Veränderungen ein. Wir haben sie und den erweiterten Vorstand getroffen, um über die drängendsten Probleme und ihre Vorschläge für die Zukunft zu sprechen.

„Ein System, das aus dem 16. Jahrhundert stammt“

„Wir leben in einem Schulsystem, das gefühlt aus dem 16. Jahrhundert stammt“, sagt Luca Dobrita, der neben seiner Funktion als Stadtschulsprecher auch im Landesschülerrat aktiv ist. „Es gibt moderne Technik, aber sie wird kaum genutzt. Viele Schulen in Offenbach haben WLAN und Tablets, aber die Schüler dürfen sie nicht nutzen, weil datenschutzrechtliche Bestimmungen fehlen oder Lehrkräfte einfach keine Fortbildung erhalten haben.“ Die Schüler haben das Gefühl, auf der Stelle zu treten. Oft müssten sie beispielsweise ihre eigenen mobilen Daten verwenden, weil sie keinen Zugang zum Schul-WLAN bekommen. Die digitale Infrastruktur sei vorhanden, aber werde durch Bürokratie oder veraltete Denkmuster blockiert.

Integration: Viele Hindernisse, wenig Unterstützung

Ein weiteres drängendes Problem ist die soziale Ungleichheit. Offenbach ist bekannt für seine Vielfalt, doch diese bringt auch Herausforderungen mit. Luca berichtet: „Viele Schüler*innen in Offenbach haben keinen einfachen Start. Manche sprechen bei der Einschulung kaum Deutsch. Obwohl es Förderprogramme gibt, sind sie oft nicht ausreichend, um wirkliche Chancengleichheit herzustellen.“ Besonders die Situation von Schüler*innen mit besonderen Bedürfnissen ist kritisch. „Kinder mit ADHS oder anderen Herausforderungen brauchen kleinere Klassen und spezialisierte Unterstützung. Doch das derzeitige System ist nicht darauf ausgelegt, individuell zu fördern.“

Eine zentrale Forderung des Stadtschülerrats ist daher die Förderung von mehr Ganztagsangeboten, die nicht nur Bildung, sondern auch soziale Integration und Unterstützung bieten. Zwar gibt es in Offenbach Programme oder Zentren wie die K&J-Zentren, welche jedoch von Luca kritisiert werden, sie seien eher für Kinder konzipiert. Das Angebot für Jugendliche würde hier fehlen.

Der Stadtschülerrat hat sich mit Ofa zu einem Austausch getroffen.

Leistungsdruck und mentale Gesundheit: Ein blinder Fleck im System

Die psychische Belastung von Schüler*innen nimmt zu. Laut dem Stadtschülerrat empfinden drei von vier Schüler*innen die Schule als „Angstraum“: „Viele Schüler*innen haben das Gefühl, ständig bewertet zu werden, ohne dass ihre individuellen Stärken anerkannt werden. Der Druck, immer besser zu sein, führt zu Stress und psychischen Problemen. Es gibt kaum Unterstützung für mentale Gesundheit. Viele Schüler*innen wissen nicht, an wen sie sich wenden können.“ Laut dem Stadtschülerrat sollte es mindestens eine Stunde pro Woche geben, in der Themen wie Stressbewältigung, mentale Gesundheit und der Umgang mit schwierigen Situationen thematisiert werden.“

„Lehrerbewertung durch Schüler*innen sollte normal sein“

Ein weiteres Problem sieht der Stadtschülerrat in der mangelnden Transparenz und Feedback-Kultur. „Wir haben immer wieder Lehrkräfte, die Schüler ungerecht behandeln oder sich völlig unangemessen verhalten“, berichtet Cengizhan. Doch es gebe kaum Möglichkeiten, dies anonym und sicher zu melden. Der Stadtschülerrat setzt sich für die Einführung eines anonymen Bewertungssystems ein, bei dem Schüler*innen ihre Lehrkräfte regelmäßig bewerten können. Luca erklärt: „Lehrkräfte sollten in ihrer Arbeit unterstützt, aber auch kritisch reflektiert werden. Wir brauchen ein System, das auf Dialog und Zusammenarbeit basiert, anstatt auf Machtstrukturen.“

Was muss sich ändern? Die Forderungen des Schülerrats

Der Schülerrat hat klare Vorschläge, wie die Situation an Offenbacher Schulen verbessert werden könnte:

  1. Modernisierung der Schulen: Zugang zu WLAN für alle Schüler*innen, flächendeckende Nutzung moderner Technologien und einheitliche Plattformen für den Unterricht.
  2. Bessere Förderung: Mehr Ressourcen für Sprachförderung, kleinere Klassen und spezialisierte Unterstützung für Schüler*innen mit besonderen Bedürfnissen
  3. Mentale Gesundheit: Ein fester Bestandteil des Lehrplans, der den Umgang mit Stress, mentaler Belastung und sozialen Konflikten thematisiert.
  4. Lehrerausbildung und -bewertung: Regelmäßige Fortbildungen für Lehrkräfte und ein anonymes Feedback-System, um Missstände aufzudecken und zu beheben.
  5. Gerechtigkeit im Bildungssystem: Eine stärkere individuelle Förderung, die den Fokus auf die Stärken der Schüler*innen legt, anstatt auf starre Bewertungsmaßstäbe.

Der Weg in die Zukunft

Trotz aller Probleme bleibt der Stadtschülerrat optimistisch: „Wir sehen die Herausforderungen, aber wir sehen auch die Möglichkeiten. Offenbach hat das Potenzial, Vorreiter für eine moderne und gerechte Bildung zu sein“, betont Luca. Mit ihrem Engagement, ihrer Zusammenarbeit mit der Stadtpolitik und ihrem Einsatz für die Schüler*innen hoffen die Mitglieder des Stadtschülerrats, langfristige Veränderungen anzustoßen. „Unsere Generation ist bereit für eine Bildungsrevolution. Jetzt brauchen wir nur noch die Unterstützung von Politik und Gesellschaft“.

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